Die Schreibtrainerin Ilona Matusch veranstaltet in ihrer „Schreibküche“ Workshops, die Schreiben, Wandern und Genießen verbinden. Dabei wird die Gruppe gemeinsam kreativ am Papier und am Hüttenherd. Ich habe mit Ilona über die Idee dahinter gesprochen.
Ilona, das Schreiben begleitet dich ja schon sehr lange. Erzähle uns etwas über deinen Werdegang.
Das Schreiben war von Beginn an Teil meines beruflichen Lebens. Ich habe mein Studium abgebrochen, um Journalistin zu werden. Theorie war mir nie so wichtig – ich war schon immer eine Macherin. Nach zehn Jahren als Journalistin wurde ich Unternehmens-Kommunikatorin und habe fast zwanzig Jahre lang für die interne und externe Kommunikation gelebt. Das Schreiben hat dabei nie aufgehört. Aus eigener Erfahrung kann ich bestätigen, dass Schreiben ein Handwerk ist. Ich habe aber immer nur beruflich geschrieben, sonst nichts. Irgendwann wollte ich dann mehr, das Schreiben auch anders nutzen – für mich. Und ich wollte erforschen, wie der Schreibprozess funktioniert und habe am writers‘ studio Wien die Ausbildung zur Schreibtrainerin für kreatives Schreiben absolviert. Dort hatte ich so viele Aha-Erlebnisse: ich bin nicht die einzige, mit Herausforderungen – großen Schriftsteller:innen oder Literaturstars geht es genauso. Oder auch beim wissenschaftlichen Schreiben: Diejenigen, die wissen, wie man kreativ schreiben kann, tun sich viel leichter.
Du gibst Workshops für andere, die gern schreiben möchten. Dabei kombinierst du auch Schreiben und Wandern. Wie bist du darauf gekommen, und was ist für dich das Besondere dabei?
Das Besondere daran ist für mich gar nichts Besonderes. Es ist eine Erfahrung, die alle haben, die sich bewegen: Wenn du gehst, läufst oder schwimmst, kommst du in eine Gleichmäßigkeit. Gleichmäßiges Wandern oder Bergsteigen führt dazu, dass du irgendwann in einen guten Rhythmus kommst und gedanklich wegdriftest. Dann hat dein Kopf plötzlich mehr Platz zum Denken. Die frische Luft strömt durch dein Gehirn und fegt es durch, als ob Staub gewischt wird. Themen, die dich beschäftigen, kommen dann anders an die Oberfläche. An der Stelle gleich ein Tipp: Immer etwas zum Schreiben dabeihaben – sonst sind die vielen guten Ideen, die auftauchen können, weg!
Unser Schreibwerkzeug Nummer Eins ist ja nicht die Feder oder das Papier, sondern unser Körper
Ilona Matusch
Ich will meine Erfahrungen teilen und ich will, dass andere diese Freude erleben können. In meinem Workshop „Frei nach Luft und Laune“ wandern und dichten wir zum Beispiel. Haikus eignen sich da besonders gut. Wir machen Wanderpausen bei einem Hochstand, auf Baumstümpfen oder auf einem gemütlichen Felsen. Mit Klemmbrettern auf den Knien lade ich die Teilnehmenden zu einer Schreibeinheit in der Natur ein. Das ist Inspiration pur: der Wald, diese Höhe, diese Weite. Unser Schreibwerkzeug Nummer Eins ist ja nicht die Feder oder das Papier, sondern unser Körper. Wenn wir in der Natur sind, schalten wir unsere Sinne verstärkt ein. Wir sehen und hören andere Dinge, wir riechen den Waldboden oder feuchte Blätter. Und wir beschäftigen uns mit uns selbst. Diese Kombination tut dem Körper und dem Geist gut. Und bringen uns in einen Schreibfluss.
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Bei diesem Workshop ist eine Genusskomponente dabei – mit Kochen und Essen in der Gemeinschaft. Was hat es damit auf sich?
Ich nenne es „geselliges Schreiben am Hüttentisch“. Zusammensitzen, einander Geschichten erzählen bei einem Glas Wein oder einem heißen Tee, wenn es draußen stürmt oder schneit, das vermittelt Wohligkeit. Ich habe das oft erlebt, schon als Kind, weil ich in den Bergen aufgewachsen bin. Dann dachte ich, dieses Gefühl am Hüttentisch kann ich nutzen fürs Schreiben in der Gruppe, von dem ich selbst so profitiere, weil es meinen Schreibfluss stärkt. Du musst dir das so vorstellen: Wir haben uns zusammen bewegt, unsere Körper haben etwas aufgenommen, und statt dass wir darüber reden, schreiben wir es auf und dann können wir darüber reden, müssen wir aber nicht. Aber du wolltest über die kulinarische Komponente etwas erfahren, ich schweife schon wieder ab.
Auf meiner Lieblingshütte, das ist das Naturfreundehaus Knofeleben zwischen Rax und Schneeberg, arbeiten während der Saison zwei Nepali, die machen Momos. Heuer ja leider nicht, wegen Corona, was sehr schade ist. Ich hoffe, sie können nächstes Jahr wieder kommen. Wir vermissen sie. Momos sind gefüllte nepalesische Teigtaschen, das Rezept wollte ich schon immer lernen. Mein Workshop ist so gestaltet, dass wir gemeinsam kreativ werden am Hüttentisch und am Hüttenherd, denn Kochen ist wie Schreiben: Es ist alles möglich. Natürlich gibt es Rezepte, an die kann ich mich halten, muss ich aber nicht. Wenn ich einen Apfelstrudel mache, ist die Empfehlung, dass ich ihn mit Zucker, Zimt oder Rosinen würze – aber wer sagt, dass ich es nicht mal mit einer Prise Chili probieren kann und statt Brösel mehr Nüsse nehme?
Genauso kann ich eine Presseaussendung oder einen Roman nach Rezept schreiben, muss ich aber nicht – beziehungsweise empfehle ich das auch nicht. Es gibt Rahmenbedingungen, an denen ich mich orientieren sollte, aber dann obliegt es mir, was ich daraus mache. Kochen ist wie Schreiben ein Handwerk. Und hier gilt: Je öfter ich einen Nudelteig mache oder Zwiebeln schneide, oder wenn mir mal jemand zeigt, wie man das richtig macht, desto leichter fällt es, selbst besser zu werden. Und es macht dann mehr Freude. Und so funktioniert das auch mit dem Schreiben. Wer gut kochen will, muss kochen und wer gut schreiben will, muss schreiben.
Bei meinem Workshop müssen übrigens nicht alle Zwiebeln schneiden oder gar Romane schreiben, nein, es sind immer Einladungen: zum Gehen, Schreiben, Kochen und Zusammensitzen. Einfach mal etwas ausprobieren. Wenn jemand keine Lust aufs Kochen hat oder lieber über etwas Anderes schreibt – kein Problem. Auch Vorlesen muss natürlich niemand.
Woran schreibst du momentan?
Es geht darum, mutig zu sein und das eigene Unterbewusstsein schreiben zu lassen
Ilona Matusch
Ich schreibe an Geschichten, die mit den Bergen zu tun haben. Immer öfter schreibe ich auf, wenn andere mir skurrile Erlebnisse erzählen. Ich habe schon so viele tolle Geschichten gehört, und es tut mir leid, wenn sie weg sind. Auch wenn ich noch keine Ahnung habe, was ich mit den Geschichten mache, es ist ein schönes Gefühl, wenn ich das Notizbuch zumache und denke, die Geschichte ist gesichert. Der Anteil meiner Notizbücher hat sich vervielfacht, und eines davon habe ich immer mit, sonst schreibe ich mittlerweile auf einer Serviette. In meinem Blog schreibe ich bislang hauptsächlich sehr persönliche Geschichten. Und mit Kund:innen schreibe ich an ihren Unternehmenstexten.
Was ist dein liebster Schreibtipp?
Mein liebster Schreibtipp sind die Morgenseiten. Die amerikanische Autorin und Künstlerin Julia Cameron hat sie quasi erfunden, man kann das unter anderem nachlesen in ihrem Buch „Der Weg des Künstlers“. Ich durfte sie neulich online erleben in einem moderierten Gespräch mit Elizabeth Gilbert, der Autorin von „Eat, Pray, Love“. Beides großartige Frauen – solche Möglichkeiten der Online-Kommunikation und Vernetzung sind für mich ein positiver Nebeneffekt von Corona.
Morgenseiten zu schreiben empfehle ich jeder und jedem. Das heißt: aufzuwachen, sich aufzusetzen, einen Stift und das Schreibbuch herzunehmen und für eine gewisse Zeit oder eine gewisse Seitenanzahl zu schreiben, einfach frei von der Leber weg, ohne viel nachzudenken, seinen Frust loswerden, das Gedankenkarussell auslagern und was einem sonst so einfällt, die Einkaufsliste ist bei mir schon immer wieder mal dabei. Ich mache das jeden Morgen und gehe damit anders in meinen Tag hinein. Sicher ist es schwierig für Menschen, die Kinder in die Schule bringen müssen oder zur Arbeit hetzen, sich diese Zeit abzuzwacken. Dann kann man es am Abend oder am Nachmittag machen. Es ist etwas anderes, wenn du es in der Früh machst: morgens schaust du in die Zukunft, auf das, was noch vor dir liegt. Es geht darum, mutig zu sein, und das eigene Unterbewusstsein schreiben zu lassen. Je mehr Gründe du findest, um zu schreiben, desto besser.