“The wastepaper basket is your friend. It was invented for you by God.“
(Margaret Atwood)
Margaret Atwood ist eine „Drauflosschreiberin.“ Das hat sie mir sofort sympathisch gemacht, als ich im Herbst 2020 auf arte die Doku Margaret Atwood – Aus Worten entsteht Macht gesehen habe. Was für ein Genuss, dieser klugen, humorvollen Schriftstellerin zuzuhören! Ihr Schreibworkshop war der Grund, warum ich schließlich bei einem Abo-Deal für die Hochglanz-Lernplattform Masterclass zugeschlagen habe …
Wie möchtest du die Geschichte erzählen?
Verschmitzt lächelnd plaudert Atwood in diesem Kurs in kurzen Lerneinheiten aus ihrem Näh- bzw. Schreibkästchen. Wenn wir mit dem Schreiben beginnen, sollten wir uns fragen: „Wie möchte ich diese Geschichte überhaupt erzählen?“ Rotkäppchen kann man linear erzählen, so wie wir alle das Märchen kennen, oder man kann es aus der Perspektive des Wolfes erzählen. Man kann mit dem Satz beginnen: „Es war dunkel im Inneren des Wolfes“ (genial!), oder mit einer Szene, in der die Polizei zum Tatort eines Doppelmordes gerufen wird.
Der Papierkorb ist unser Freund!
Eine gute Struktur zu finden, braucht Zeit. Wenn wir feststecken, rät Atwood dazu, versuchsweise die Perspektive oder die Erzählzeit zu ändern. Es sei auch eine gute Schreibübung, dieselbe Szene aus verschiedenen Sichtweisen zu schildern. Atwood erzählt, sie selbst habe einmal über hundert Romanseiten in der falschen Perspektive geschrieben. Es wollte nicht so recht passen, also hat sie alles umgeschrieben. Kein Problem: „Der Papierkorb ist unser Freund!“ Ich fand es beruhigend, zu hören, dass es auch großen Autorinnen beim Schreiben so geht.
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Orientierung ist wichtig …
Man kann es nicht oft genug betonen: Die Leser:innen müssen sich immer zurechtfinden können. Unsere Protagonist:innen sollten daher nicht alle rothaarig sein und ihre Namen sollten sich deutlich unterscheiden. Atwood schlägt vor, wir sollten auch ihre Geburtstage kennen. Sie selbst zeichnet gern Karten und Skizzen, an denen sie sich beim Schreiben orientieren kann.
„Die erste Seite ist die Tür zu deinem Buch“, sagt Atwood. „Wenn bis Seite zehn immer noch nichts passiert ist, hast du ein Problem.“ Der Schreibstil – eher „barock“ wie bei Charles Dickens oder „schlicht“ wie bei Graham Greene – sei eine persönliche Sache. Bei Stilfragen könne es helfen, sich den eigenen Text laut vorzulesen. Eine gute Übung sei auch, spaßeshalber die Stile verschiedener Autor:innen zu imitieren.
… und sorgfältige Recherche ebenfalls
Ein weiterer Tipp: gut recherchieren. Unsere Geschichte muss glaubwürdig sein. Details, die nicht stimmen, können unsere Leser:innen irritieren. Eine gute Quelle für Lebensmittel oder Mode aus früheren Zeiten sind alte Zeitschriften, Bestellkataloge oder Werbeanzeigen. Atwood empfiehlt: „Schreibe zuerst und recherchiere die Details später.“ Es verlangsamt unser Schreiben, wenn wir uns im Vorfeld zu lange mit der Recherche aufhalten. Außerdem soll sich unser Roman ja nicht lesen wie ein Forschungsbericht.
Gib nicht auf!
Insgesamt sind es fast vier kurzweilige Stunden, in denen Atwood in ihrem Masterclass-Workshop auch Anekdoten aus ihrem eigenen Leben erzählt. Sie blättert in dicken Ordnern, zeigt vergilbte Zeitungsartikel, liest Rohfassungen vor und verrät uns, was sie zu „Der Report der Magd“ inspiriert hat. Ihre wichtigste Botschaft für alle angehenden Schriftsteller:innen lautet dabei: „Gib nicht auf!“
(Bildquelle: commons.wikimedia.org)