Die Kieler Krimiautorin und Bloggerin Susanne Pohl schreibt seit 2020 „52 Kurzgeschichten in 52 Wochen“ und hat dabei noch keine Woche verpasst. Was es mit diesem spannenden Projekt auf sich hat und wie sie motiviert bleibt, verrät sie mir im Interview.
Susanne, erzähl uns etwas über deinen Werdegang. Was verbindet dich mit dem Schreiben?
Geschichten habe ich immer schon gemocht. Als ich aufs Gymnasium kam, durften wir Fantasieaufsätze schreiben, das fand ich toll. Später habe ich Englisch und Geographie auf Lehramt studiert und nur wissenschaftlich geschrieben. Dann habe ich eine Zeitlang journalistisch geschrieben. Das mochte ich zwar, aber es hätte immer so schöne Abbiegungen gegeben für Geschichten… und ich konnte mir ja nicht einfach etwas ausdenken.
Irgendwann habe ich gesagt: „Wozu länger warten? Ich schreibe jetzt einen Krimi!“ Es war ein großes Abenteuer, Taval und die nackte Katze zu schreiben. Ich bin stolz darauf und habe Anerkennung dafür bekommen, aber es war auch sehr anstrengend. Bevor das Buch im Selbstverlag erschienen ist, habe ich es insgesamt sieben Mal geschrieben. Es ist dadurch viel besser geworden, aber die Leichtigkeit im Schreiben ist mir verloren gegangen.
Wie bist du dazu gekommen, 52 Kurzgeschichten in 52 Wochen zu schreiben?
Anfang letzten Jahres hatte ich eine schwere depressive Episode. An Schreiben und Lesen war nicht zu denken. Als ich nach sechs Wochen aus der Klinik kam, wollte ich erst einmal nur noch machen, was mir Spaß macht. Dann kam Corona und plötzlich gab es einen Kurs am Wiener writers‘ studio online, den ich immer schon machen wollte. Dort habe ich das wiedergefunden, was ich am Schreiben vorher so gemocht hatte: das Leichte, dieses Freewriting. Da war der Funke wieder da. Bis heute treffe ich drei Frauen aus dem Kurs jeden Montag online, und wir geben einander wertschätzendes Feedback auf persönliche Essays, das ist ein Kreativitätsbooster.
Wir geben einander wertschätzendes Feedback auf persönliche Essays, das ist ein Kreativitätsbooster.
Susanne Pohl
Dann habe ich die 52-Wochen-Challenge vom amerikanischen Autor und Schreibcoach Dean Wesley Smith gesehen. Mein Verstand sagte: „Bist du wahnsinnig?“ Aber mein Herz sagte: „Cool – ich probiere es aus!“
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Wie läuft diese Kurzgeschichten-Challenge genau ab?
Jeden Montag bekomme ich ein Video mit einem Stichwort, das ich benutzen kann. Bis Sonntag um Mitternacht West Coast Time – das ist bei uns Montag früh um acht – muss ich die fertige Geschichte einschicken. Sie muss mindestens 2000 Wörter lang sein. Damit Dean sie liest und Feedback aus Lesersicht gibt, muss sie dem amerikanischen Manuskriptformat entsprechen. Die Geschichten schreibe ich auf Englisch. Das ist interessant, denn das versteht mein innerer Kritiker nicht.
Die Teilnahme kostet 600 Dollar. Das klingt teuer, aber wenn man die Challenge nicht schafft, kann man für das Geld Workshops besuchen. Wenn man sie schafft, bekommt man lebenslangen Zugriff auf alle seine Workshops. Bisher habe ich 75% der Challenge geschafft!
Wovon handeln deine Geschichten und woher nimmst du die Ideen?
Die Geschichten schreibe ich entdeckend, ich weiß vorher nicht, was dabei herauskommt. Ich bekomme ein Stichwort und mein Unterbewusstsein sagt beispielsweise: Das ist ein Fall für meine Ermittlerin Minerva Meerkamp. Bei einigen Geschichten ist es mir passiert, dass ich dachte, das ist eigentlich ein Romananfang. Einmal habe ich zuerst eine Collage gemacht und mich davon inspirieren lassen.
(Susanne blättert in einem dicken Ordner). Ich habe mir so viele verschiedene Sachen ausgedacht: kurze Ermittlerkrimis, Geschichten aus der Sicht von Tätern oder Verbrechensopfern, schräge Sachen, sogar eine Geistergeschichte… Nicht alle sind gleich gut, aber das macht es einfacher, denn die einzelne Geschichte hat nicht mehr so ein Gewicht. Nach einem halben Jahr habe ich einen Sprung in der Qualität gemerkt.
Wie motivierst du dich, an der Challenge dranzubleiben?
Schreiben und Gesundwerden sind momentan meine Haupttätigkeiten. Das Kurzgeschichten-Schreiben ist ein wichtiger Baustein dafür. Es gibt mir eine Struktur, denn es ist etwas, das ich von Herzen gern tun will, und das jede Woche.
Ich habe überlegt, wie ich mir eine Umgebung schaffen kann, die mir hilft, die Challenge durchzuziehen. Mein Ritual ist: Wenn die Geschichte fertig ist, korrigiere ich sie mit einem Rechtschreibprogramm, schicke sie in die USA, drucke sie aus und hefte sie ab. Dann klebe ich einen Glitzerstein auf ein Diagramm. So entsteht eine zusammenhängende Steinchenkette, die ich vom Schreibtisch aus sehen kann. Manchmal streiche ich mit dem Finger darüber.
Letzte Woche hätte ich es fast nicht geschafft. Dann saß ich hier am Sonntag und dachte: „Du brauchst noch 1200 Wörter, eine handwerklich gemachte Geschichte. Und nur, weil du jetzt nicht kannst, soll ein Loch in der Kette entstehen?“ Dann fliege ich raus aus der Challenge und kann wieder von vorn anfangen. Also habe ich mich aufgerafft und sie fertig geschrieben, und sie ist gar nicht schlecht geworden.
Wirst du die Geschichten veröffentlichen?
Ich plane, im Juli einen Band mit fünf Geschichten über Privatermittler herauszugeben. Dann schaue ich, wie ich andere Geschichten veröffentlichen kann. Manche wirken besser für sich allein, andere haben ihren Reiz, wenn man sie nacheinander liest. Ich habe aber momentan wenig Lust, sie alle ins Deutsche zu übersetzen.
Hast du daneben noch andere Schreibprojekte?
Ich schreibe einen zweiten Krimi, das mache ich momentan in 10-minütigen Einheiten pro Tag. Dann gibt es noch ein anderes Buchprojekt, das ich irgendwann fertigmachen möchte. Ich wünschte, ich könnte auch Bücher so schnell schreiben wie Kurzgeschichten…
Außerdem blogge ich fast täglich. Darauf habe ich Lust und dazu fällt mir auch immer etwas ein. Manchmal sind die Ideen von außen inspiriert, durch Challenges von anderen Bloggerinnen, oder ich blogge über meinen Schreibtag.
Was ist dein liebster Schreibtipp?
Das klingt simpel, aber: einfach losschreiben. Nicht lange überlegen. Nicht alles mit dem Verstand kontrollieren. Die Geschichten wohnen in unserem Kopf. Wir alle wissen, wie Geschichten funktionieren, wir haben sie als Kinder gehört, wir sehen sie im Fernsehen. Darauf sollten wir einfach vertrauen.