Heike Pflüger hat kürzlich ihren ersten Fantasyroman Kleefee und Kaninchenritter veröffentlicht. Im Interview erzählt die Autorin, warum sie sich fürs Selfpublishing entschieden hat, was sie beim Schreiben inspiriert, und wie sie ihre Texte mit Gateless Writing entwickelt. Natürlich verrät uns Heike auch ihren liebsten Schreibtipp …
Heike, erzähl uns etwas über deinen Hintergrund.
Ich bin Jahrgang 1979 und ursprünglich Erziehungswissenschaftlerin. Mein zweites Steckenpferd neben dem Schreiben ist Japan. Ich habe ein paar Semester Japanologie studiert und konsumiere gern japanische Medien, und auch mein Schreiben ist inspiriert von ostasiatischen Mythen.
Welche asiatischen Vorbilder inspirieren dich besonders?
Es sind nicht immer konkrete Gestalten, die mich inspirieren, sondern eher die Form, wie man dort Geschichten erzählt. Ich habe viel Haruki Murakami gelesen und war schon immer ein Fan von Hongkong-Filmen. In den 1990ern haben mich die Filme Lebewohl meine Konkubine und Tiger and Dragon sehr inspiriert. Aus dieser Richtung fließt einiges in mein Schreiben ein.
Dein Debütroman Kleefee und Kaninchenritter ist kürzlich erschienen. Worum geht es dabei?
Es geht um eine kleine Feen-Prinzessin, die auszieht und sich selbst findet. Der Roman ist eine Abenteuerreise mit fantastischen Elementen, aber auch eine Entwicklungsgeschichte. Politik, Gesellschaft und die Umweltproblematik sind zentrale Themen.
Ich habe eine Welt erschaffen: Grünhain, ein Land, das übrig geblieben ist, weil die Menschheit ausgestorben ist. Dort ist alles kleiner und niedlicher. Es gibt Kleefeen, das sind menschenähnliche Figuren. Sie sind arrogant und narzisstisch – also den Menschen nicht unähnlich. Alle anderen Figuren sind Tiere, aber anthropomorphisiert.
Die Kleefee geht zusammen mit ihrer Kampfhummel von zuhause weg, denn sie möchte einen Krieg verhindern. Auf ihrem Weg entdeckt sie ihr eigenes Land, und dort ist nichts so, wie es scheint. Was am Ende meiner Geschichte durchklingt, ist: Nur weil wir Menschen eines Tages vielleicht nicht mehr existieren, heißt das nicht, dass sich andere nicht mehr mit uns herumschlagen müssen. Für irgendwelche Wesen werden wir Altlasten hinterlassen, auf die wir nicht unbedingt stolz sein können.
Wie ist die Idee zu diesem Roman entstanden?
Im Kurs „Kreatives Schreiben“ an der Schule des Schreibens bekamen wir die Aufgabe, einen Jugendroman zu entwerfen. Ich habe mich damit erst mal schwer getan, denn ich hatte keine Ahnung, was Jugendliche gern lesen. Die Umweltthematik hat mich interessiert, aber ich wollte nicht über Menschen schreiben.
Ich habe ein Faible für Märchenmotive und Bücher wie Unten am Fluss (Watership Down) und Als die Tiere den Wald verließen, und so kam mir die Idee mit der Dystopie, dass die Menschheit nicht mehr existiert. Dann kam die Grundidee mit der Politik dazu, also habe ich die Gliederung erstellt, und es kamen begeisterte Reaktionen. Und dann habe ich begonnen, den Roman Kleefee und Kaninchenritter kapitelweise zu schreiben.
Du schreibst seit längerer Zeit mit Gateless Writing. Hat sich das auf dieses Projekt ausgewirkt?
Gateless Writing hat mir bei der Überarbeitung der Kleefee hervorragend geholfen. Ich hätte das nicht erwartet, weil ich erst dachte, diese Methode setzt man eher bei der Ideenfindung ein. Aber bei der Überarbeitung war es auch so: Ich hatte einen Part, bei ich dem wusste, was vorher und nachher passiert, aber nicht, was dazwischen passieren soll. Also habe ich mich einfach mit Musik entspannt und drauflos geschrieben, ohne nachzudenken. Das hat mir geholfen, Unschärfen zu lösen.
Du hast dich bewusst fürs Selfpublishing entschieden. Was waren die Gründe dafür?
Erst war ich zwiegespalten, denn es gab auch einen Verlag, der nicht abgeneigt war. Aber ich habe gemerkt, dass mein Herz sehr an diesem Debütroman hängt. Ich wollte nicht, dass mir ein Verlag ein Cover oder andere Dinge diktiert, die ich nicht will. Die Freiheit zu haben, zu schreiben, was ich selber lesen möchte, spielt bei mir auch eine große Rolle. Ich habe Geschichten vermisst, die keine menschlich zentrierte Perspektive haben, also habe ich bei der Kleefee die Menschheit einfach mal aussterben lassen.
Ich habe mich dann mit dem Selfpublishing befasst und gesehen, was damit heute alles möglich ist. Dann bin ich die Veröffentlichung strategisch angegangen, mit Entwicklungslektorat und Korrektorat, auch wenn das alles Geld kostet. Außerdem bin ich dem Selfpublisher-Verband beigetreten, der sich dafür einsetzt, die Qualität im Selfpublishing zu sichern und unsere Interessen auch gegenüber Verlagen und Agenturen zu vertreten.
Derzeit schreibst du an deinem zweiten Roman, den du komplett mit Gateless Writing entwickelst …
Genau. Ich hatte einen Entwurf über Alchemisten in der Schublade, und daraus ist die Idee von einem Barden und seiner Laute entstanden. Ich wollte aber nicht so eine typische Barden-Story schreiben, in der er an den Hof kommt, ein bisschen herumträllert und amouröse Abenteuer hat. Also mache ich daraus eine queere Geschichte. Es gibt meine Hauptfigur, den Barden Lyrell, und seinen Partner und die Ereignisse in ihrer Stadt. Daneben gibt es einen Subplot mit Eichhörnchen und Schmetterlingen, die sich zusammentun, um ihren Wald zu retten.
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Wie gehst du beim Schreiben mit Gateless Writing vor?
Ich lasse meine Hauptfigur mit Gateless Writing einfach laufen. In jedem deiner Schreibsalons schreibe ich ein Stückchen mehr. Dabei entsteht entweder eine Szene mit dem Barden oder einer anderen Figur oder über ein Phänomen aus meiner Welt.
Bei der Kleefee war zuerst die Welt da, danach kam der Plot und dann die Figur. Beim aktuellen Projekt hat sich herausgestellt, dass die Hauptfigur die Handlung vorantreibt. Jetzt bin ich mit dem Weltenbau beschäftigt, und am Ende kommt dann der Plot.
Du würdest also sagen, dass man mit Gateless Writing systematisch einen Roman entwickeln kann?
Unbedingt. Natürlich kannst du damit auch einfach so für dich schreiben. Aber es geht tatsächlich auch auf einer professionelleren Schiene: Du hast die Hauptfigur und hast den Rahmen schon gesteckt. Und innerhalb dieses Rahmens kann noch viel passieren.
Mir sind in deinen Schreibsalons noch nie die Ideen ausgegangen. Selbst wenn ich mal nicht über meine Hauptfigur geschrieben habe, kam ein anderer Aspekt zum Vorschein, den ich benutzen konnte: Für eine Nebenfigur, den Weltenbau, oder als Idee für ein Ereignis oder einen Ort.
Deine Kurse helfen auch dabei, am Schreiben dranzubleiben. Und man kann eine Masse an Text produzieren: Nach einem deiner Schreibsalons sind mir mal über sechstausend Wörter einfach so aus den Fingern gefallen.
Wie hat Gateless Writing dein Schreiben verändert?
Bei mir hat es dazu geführt, dass ich stilistisch durch die Decke gegangen bin. Ich habe teilweise dabei erst die richtigen Worte gefunden, um das erzählen zu können, was ich wirklich wollte. Bei dir habe ich gelernt, einfach mal Dinge auszuprobieren. Beispielsweise habe ich früher immer gesagt, Poesie ist nicht so meins. Mit Gateless Writing habe ich jetzt sogar angefangen, für mich etwas mehr in die poetische Richtung zu schreiben.
Beim Gateless Writing kannst du austesten, was geht, ohne dich zu zensieren oder zu blockieren. Du kannst an die eigenen sprachlichen Grenzen gehen oder Formulierungen ausprobieren, die du sonst nie so hingeschrieben hättest. Das lässt dich experimentierfreudiger und mutiger werden. Gateless Writing ist zum „mutig werden“ richtig gut! Und Mut und Kreativität hängen ja irgendwie miteinander zusammen.
Wem würdest du Gateless Writing empfehlen?
Allen. Wirklich allen. Natürlich denen, die Ideen suchen oder erst mal nur für die eigene Schublade schreiben. Aber ehrlich gesagt würde ich es vor allem denjenigen empfehlen, die professionell schreiben. Wir haben ja in deinen Schreibsalons teilweise auch Leute aus der Werbung oder dem Storytelling dabei. Und auf einmal schreiben sie da Geschichten, die hätten sie selbst nicht für möglich gehalten.
Ich finde es auch für Profis hilfreich, mit dem Gateless Feedback mal einen anderen Blick auf die eigenen Texte zu bekommen. Und für Anfänger natürlich, dass sie sich dort überhaupt trauen dürfen, einen Text vorzulesen, ohne dass sie von der Gruppe gleich zerlegt werden. Ich kann aus eigener Erfahrung sagen, dass man da dann nie wieder hingeht.
Was meinst du, woran es liegt, dass das Feedback in Schreibgruppen oft eher destruktiv abläuft?
Ich bin der Meinung, dass das mit Konkurrenzdenken zu tun hat, bewusst oder unbewusst. Natürlich wollen wir unsere Texte verkaufen. Ich möchte meine Texte auch verkaufen, aber ich bevorzuge Kooperation, denn meine Erfahrung ist, dass es besser geht, wenn man sich zusammentut und sich kompetente Hilfe sucht. Das ist ja auch das Schöne an deinen Gruppen, dieses Miteinander. Wir haben alle diesen Wunsch nach Sichtbarkeit und Selbstausdruck im Schreiben. Egal, ob unser Text einfach nur einmal in der Runde geteilt wird und dann nie wieder, oder ob daraus ein Buch wird.
Was ist dein liebster Schreibtipp?
Schau, was zu dir passt. Wenn dir die Heldenreise nicht liegt, dann probiere etwas anderes. Wenn du nicht jeden Tag schreiben kannst, dann schreibe einmal in der Woche. Wenn ein Verlag nicht dein Ding ist, dann nutze Selfpublishing. Frage dich immer: Was möchte ich mit meinem Schreiben erreichen? Und dann mach es so, wie es zu dir passt. Denn das, was dir irgendwelche Kurse oder Ratgeber sagen, hilft dir persönlich in deinem Schreiballtag vielleicht gar nicht.
Heike Pflügers Debütroman Kleefee und Kaninchenritter ist u.a. im epubli-Shop und bei Amazon erhältlich. Auf ihrer Website und auf Instagram gibt sie einen Einblick in ihr Autorinnenleben.