Leni Bohrmann ist freie Schauspielerin, Theaterautorin und Podcasterin. Sie spielt in zahlreichen Theaterproduktionen und engagiert sich in der Kulturszene ihrer Heimatstadt Neustadt an der Weinstraße. In ihrem Backstage!-Podcast spricht sie mit Künstler:innen aus verschiedenen Bereichen. Ihre Stücke Annika und der Reisekoffer und Deine tiefe Seltsamkeit wurden 2022 im Theaterverlag Rieder verlegt. Ich habe mit Leni über das Schreiben fürs Theater gesprochen.
Leni, wie bist du zur Schauspielerei gekommen?
Ich stand mit zehn Jahren zuerst auf der Bühne in der Theater AG meiner Schule. Diese AG war ganz wichtig in meiner Kindheit, dort hatte ich auch meinen Freundeskreis. Ich habe schnell gelernt, dass zu einem Theaterprojekt mehr gehört, als nur den Text auswendig zu lernen und auf der Bühne zu stehen. Wir durften uns auch hinter der Bühne einbringen und das hat viel Spaß gemacht. Wenn ich heute an diese Zeit denke, ist das ein ganz warmes Gefühl. Für mich war klar, dass ich Schauspiel studieren wollte, und das habe ich in Mannheim auf der Theaterakademie gemacht.
Wird im Schauspielstudium auch das Schreiben fürs Theater vermittelt?
Ich kann nur aus meiner Sicht von vor ca. zehn Jahren an der Theaterakademie Mannheim erzählen. Dort wurden wir sehr klar in eine Richtung ausgebildet: Auf eine große Theaterbühne zu kommen. Auf Dinge, die zur freien Szene gehören, wie Selbstvermarktung, Sprechen oder Schreiben, wurde keinen Wert gelegt. Man hat versucht, mich in eine Form zu pressen, und das fand ich sehr schade. Das Schreiben war dort kein Thema.
Wie hast du dir das Schreiben angeeignet?
Schreibworkshops habe ich nicht besucht, aber ich habe schon zu Schulzeiten mit meinem Bruder und einem Freund eine Theatergruppe gegründet. Da haben wir auch eigene Stücke geschrieben, aber das waren immer Gemeinschaftsprojekte. Erst 2018 habe ich dann mein erstes Stück komplett selbst geschrieben.
Wenn man ein Theaterstück schreibt, muss man auf andere Dinge achten, als bei einem Roman. Was sind für dich die wesentlichen Unterschiede?
Man schreibt nur Dialoge. Natürlich kann man Regieanweisungen schreiben, aber die nutze ich eher spartanisch, um eine Stimmung deutlich zu machen. Ich konzentriere mich auf die gesprochene Sprache, lese eine Szene laut und schreibe sie wieder um, wenn sie zu gestelzt klingt. Jede Figur hat ihre eigene Sprechweise, das muss ich beim Schreiben im Kopf haben. Ich überlege mir auch, in welcher Szene ich eine Figur einführe, wann ihr Name genannt wird – und ob es überhaupt wichtig ist, dass sie einen Namen hat.
Stellst du dir beim Schreiben vor, wer die Figur nachher spielen wird?
Bisher war es tatsächlich immer so, dass ich schon wusste, wer die Rolle spielen wird. Also konnte ich sie diesen Personen – oder mir selbst – auf den Leib schreiben. Ich wusste, wie ihre Stimme klingt, und konnte den Text schon hören, während ich ihn schrieb. Natürlich hat mich auch das Wesen der jeweiligen Person inspiriert, und das konnte ich in die Figur mit einbauen.
Woher nimmst du deine Schreibideen?
Aus dem Alltag und den Menschen, denen ich begegne. Ich beobachte gern Menschen: Wie sie sich bewegen, ihre Eigenarten … Ich baue auch gern mein eigenes Leben in die Stücke ein. Wer mich kennt, merkt, was ich eingebaut habe und welche Menschen aus meinem Leben darin vorkommen. Und ich lasse mich von Videospielen insprieren! Ich bin eine große Verfechterin davon, dass sie Kulturgut sind. Da gibt es wahnsinnig tiefe Geschichten und Charaktere.
Spannend. Kannst du das mit den Videospielen genauer erklären?
Ich bin mit Nintendo aufgewachsen und spiele Konsolenspiele, seit ich klein bin. Beim Videospiel bist du selbst in der Geschichte. Dass du da sitzt und deinen Finger bewegst, löst etwas in der Geschichte aus. Das ist eine spannende Zusammenführung von Realität und Kunst, und das inspiriert mich sehr. In einem Museum passiert natürlich auch etwas zwischen den Kunstwerken und denen, die sie betrachten. Aber es bleibt eine Distanz.
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Wie gehst du konkret vor, wenn du ein Theaterstück schreibst?
Ich stelle mir das vor wie eine Spirale. In der Mitte ist das, was ich erzählen will. Zum Beispiel ein Gefühl. Dann fange ich an, die Spirale größer werden zu lassen. Wo bin ich? Wer ist beteiligt? Ich denke mir Figuren aus. Dann wird es immer spezifischer, es kommen Namen und Begriffe hinzu. Ich muss viel rausschmeißen – das berühmte „Kill your darlings“ habe ich ganz oft. Eine Struktur habe ich nicht, sondern ich beginne mit einer Schlüsselszene. Wenn ich die habe, fange ich vorn an und füge die Szene dann an der richtigen Stelle ein.
Wie geht es weiter, wenn dein Stück fertig ist und auf die Bühne gebracht wird?
Ich lasse dann meinen Text los, das können viele nicht. Natürlich habe ich ein vages Bild davon, was die Schauspieler machen könnten. Aber ich finde es total schön, Inszenierungsideen zu hören, auf die ich selbst nie gekommen wäre. Das ist ein spannender Prozess: Ich übergebe den Text und lasse mich überraschen, was damit passieren wird.
Hast du manchmal Schreibblockaden?
Ich leide weniger unter Schreibblockaden, sondern eher darunter, dass meine Kreativität so unberechenbar ist. Wenn ich sie gern hätte, ist sie nicht da. Und wenn gerade wahnsinnig viel zu tun ist und ich im Bus sitze, dann habe ich plötzlich die Idee, aber keine Zeit. Beim Schreiben stolpere ich manchmal über ein Problem, zum Beispiel ein Logikloch, das ich nicht geschlossen kriege. Da hilft es mir, mich mit etwas anderem zu beschäftigen und mich nicht so daran festzubeißen. Irgendwann wird die Lösung kommen.
Du hast kürzlich einen Verlagsvertrag für zwei deiner Stücke bekommen. Wie kam es dazu?
Bei diesen Stücken hatte ich das Gefühl, die sind ganz gut. Also habe ich sechs Theaterverlage angeschrieben. Es kamen einige Absagen und ich fand es schade, dass sie nicht gesagt haben, warum. Dann rief mich der Theaterverlag Rieder an, denen ich mein Kinderstück Annika und der Reisekoffer geschickt hatte. Die fanden das Stück super und haben gefragt, ob ich auch etwas für Erwachsene hätte. Also habe ich mein Stück Deine tiefe Seltsamkeit nachgeschickt. Und dann haben sie gesagt, wir nehmen beide!
Bekommst du dann mit, wenn die Stücke aufgeführt werden?
Ja, ich werde informiert und bekomme Tantiemen für die Aufführung. Man wird davon nicht reich, aber es ist eine tolle Sache, die Stücke nach draußen zu bringen und sie nicht nur immer im selben Theater aufzuführen. Ich stelle mir das schön vor, irgendwo hinzureisen und sich die Aufführung anzuschauen. Ich wäre neugierig, was sie daraus machen.
Was ist dein liebster Schreibtipp?
Erst mal fließen lassen. Wenn man schon kritisch anfängt und jeden Satz und jedes Wort hinterfragt, kommt man nicht in den Fluss. Ruhig mal etwas hinschreiben von dem man denkt: Naja, so ähnlich. Umschreiben kann man es immer noch.
Mehr über Leni Bohrmann und ihre aktuellen Auftritte erfahrt ihr hier. Hört auch mal in ihren Backstage!-Podcast rein oder folgt ihr auf Twitter, Facebook und Instagram. Ihre Theaterstücke können über die Website vom Theaterverlag Rieder bestellt werden.