Als ich an der Uni war, hielt ich „Forschen“ und „wissenschaftliches Schreiben“ für todernste Angelegenheiten. Es erschien mir selbstverständlich, dass ich mich dabei kompliziert – und mit möglichst vielen Fremdwörtern – ausdrücken musste. Ich wollte schließlich für voll genommen werden. Immerhin war ich eine Nachwuchs-Wissenschaftlerin! Umso schwerer fiel es mir, meine Gedanken und Forschungsergebnisse zu Papier zu bringen.
Erst viele Jahre später habe ich verstanden, wie Schreiben (besser) funktioniert. Es ist kein Geheimwissen – und es funktioniert für alle Textsorten: literarische Werke, berufliche Texte und wissenschaftliche Publikationen. Schreibprofis aus allen Bereichen wenden diese Tipps täglich erfolgreich an. Wenn du dich also mit deiner wissenschaftlichen Arbeit quälst, versuche es mal damit:
1. Betrachte das Schreiben als Prozess
Es hilft, sich bewusst zu machen, dass jeder Schreibprozess aus verschiedenen Schritten besteht:
- Ideenfindung
- Rohtext schreiben
- Überarbeiten
- Endkorrektur
Wenn wir diese Schritte vermischen und zu früh anfangen, zu schreiben, kommt uns unser innerer Kritiker in die Quere. (Das ist diese fiese Stimme in unserem Kopf, die sagt, dass wir keine Ahnung haben, und dass sowieso niemand unsere Texte lesen will). Das passiert vielen Autor:innen – und ist ein Grund für die berühmte Schreibblockade.
Denke daran: etwas hat dich motiviert, diesen Weg zu gehen. Du hast ein klares Ziel vor Augen – deinen Abschluss – und du bist schon weit gekommen. Wer sagt, dass du auf den letzten Kilometern deiner Reise keinen Spaß mehr haben darfst!
Die ersten beiden Schritte des Schreibprozesses sind diejenigen, bei denen du spielerisch und kreativ vorgehen kannst…
Du könntest deine Ideen mit farbigen Clustern sammeln und sie neben deinem Schreibtisch aufhängen. Clustern kann dir auch helfen, eine gute Struktur zu finden. Du siehst klarer, welche Kapitel oder Teile du brauchst und welche Informationen du einbauen willst.
Wenn du den Rohtext schreibst, geht es darum, dass du erst einmal entdeckst, was du genau zu berichten hast. Du schreibst ihn nur für dich. Manche nennen ihn “shitty first draft”. Seine wichtigste Aufgabe ist es, überhaupt zu Papier gebracht zu werden. Und das bringt mich zu meinem nächsten Tipp:
2. Schreib frei drauflos
Am einfachsten ist es, wenn du so früh wie möglich anfängst, zu schreiben. Viele Studierende denken: „Wenn ich erstmal alles gelesen und gründlich erforscht habe, muss ich es nur noch niederschreiben.“ Und wenn sie dann endlich mit dem Schreiben anfangen wollen, gelingt es ihnen nicht. Woran das liegt? Bis dahin stecken sie schon so tief in ihrem Thema, dass sie zu viel von ihrer ersten Niederschrift erwarten. Der erste Wurf soll schon perfekt werden. Das hemmt sie, damit zu beginnen.
Hier kann freies Schreiben helfen. „Freewriting“ ist eine kreative Schreibmethode, bei der du dir ein kurzes Zeitlimit (7 Minuten) setzt und aufschreibst, was dir gerade in den Sinn kommt. Um das zu üben, könntest du direkt nach dem Aufwachen „Morgenseiten“ schreiben. Du könntest auch ein Forschungsjournal schreiben. Wann immer du etwas Wichtiges liest, nimm dir ein paar Minuten und schreibe deine Gedanken dazu nieder. Mit deinen eigenen Worten. Ohne dich zu zensieren oder zu korrigieren. Schreibe einfach drauflos. Niemand außer dir wird es lesen.
Der Sinn dahinter? Wenn du dir erlaubst, einen richtig miesen ersten Rohtext zu schreiben, bleibst du entspannt. Oft kannst du diese Aufzeichnungen als Grundlage für ein Kapitel oder einen Abschnitt deiner eigentlichen Arbeit verwenden. Neue Ideen werden im Schreibprozess auftauchen. Und du trainierst dabei automatisch deinen „Schreibmuskel“.
Wenn möglich, schreibe mit der Hand. In einem schönen Notizbuch, vielleicht mit einem guten Füller. (Tippen am PC funktioniert natürlich auch). Du könntest auch verschiedene Schreiborte testen, um deine Kreativität anzuregen: Auf dem Sofa, in einem Café, im Park…
Lust auf noch mehr Inspiration für dein Schreiben? Dann lade dir jetzt für 0 Euro meine Schreibfreuden-Rezepte herunter:
Ein Mini E-Book mit Tipps, die dich entspannt in den Flow bringen!
3. Schreibe in kurzen Einheiten
„Sobald ich fünf Stunden für mich habe, fange ich mit dem ersten Kapitel an.“
„Ich plane, das ganze Wochenende durchzuschreiben.“
Kommt dir das bekannt vor? Besonders dann, wenn du arbeiten musst oder Kinder hast, fällt es dir vielleicht schwer, dir so viel ungestörte Schreibzeit freizuschaufeln. Wenn du in kürzeren Einheiten schreibst, wirst du mehr schaffen.
In einer Viertelstunde gibt es Abendessen? Dann setze dich nochmal schnell hin und mache ein kurzes Freewriting zu dem letzten Aufsatz, den du gelesen hast. Oder sammele ein paar Ideen für dein nächstes Kapitel in einem Cluster. Greife etwas heraus, das in der Zeit machbar ist. Auch wenn du nur jeden Tag einen kleinen Absatz schreibst, bleibst du an deinem Thema dran.
Du hast mehr Zeit? Fantastisch. Dann kannst du ja mehrere kurze Einheiten aneinander hängen. Die „Pomodoro“-Technik ist ein guter Ansatz, mit dem du fokussiert bleibst. Die Idee dahinter ist einfach: Setz dir eine (Schreib-)Aufgabe, stell den Wecker auf 25 Minuten und vertiefe dich ohne Ablenkung in diese Aufgabe. Wenn der Wecker klingelt, mach eine kurze Pause, trink etwas. Und stell dir wieder den Wecker. Nach vier solchen „Pomodoro“-Einheiten kannst du eine längere Pause machen (20-30 Minuten).
Wenn du schreibst, lass dich von nichts ablenken. Schalte dein Handy aus. Schließe dein E-Mail Programm. Es gibt auch Apps wie freedom oder SelfControl, mit denen du Websites, Social Media oder Spiele eine Zeitlang ausschalten kannst.
Und wenn du dein Tagesziel erreicht hast: Gönn dir etwas Schönes. Gutes Essen, einen spannenden Film, oder ein Schaumbad… Du hast es dir verdient!
4. Denke an deine Leserschaft
Wenn du mit deinem Rohentwurf fertig bist, beginnt die Überarbeitung. In diesem Stadium wirst du vermutlich die Struktur deiner Arbeit verfeinern. Du wirst Abschnitte verändern, und du musst natürlich alle formalen Vorschriften beachten (Zitierregeln, Literaturverzeichnis etc.), die in deinem Bereich üblich sind.
Viele scheuen sich vor dem Überarbeiten – aber es kann auch Spaß machen. Nebenbei verbesserst du automatisch dein Schreiben. Eine Fähigkeit, die du in jedem Beruf gut gebrauchen kannst.
Um leserfreundlich zu schreiben, könntest du Anekdoten, Fallstudien oder auflockernde Illustrationen einsetzen. Du könntest dir auch anschauen, wie „Storytelling“ funktioniert – auch für wissenschaftliche Texte. Befasse dich mit Stilfragen. Wo kannst du aktive Verben statt abstrakter Substantive verwenden? Kannst du in der ersten Person schreiben und dich als forschendes Subjekt sichtbar machen, oder willst du das vermeiden? (Das hängt auch davon ab, wie konservativ deine Leserschaft ist). Es gibt viele Stellschrauben, an denen du drehen kannst, um deinen Text leserfreundlicher zu gestalten.
In der Endkorrektur solltest du dann Tipp- und Grammatikfehler ausbessern und die Interpunktion überprüfen. Vielleicht kann dir jemand damit helfen (oder du zahlst für einen Korrekturservice). Plane in jedem Fall mindestens 1-2 Wochen vor Abgabefrist für diesen letzten Feinschliff ein!
5. Schreibe mit anderen gemeinsam
Schreiben kann einsam sein. Es kann helfen, sich mit anderen Studierenden oder Schreibenden zu vernetzen. Man kann sich regelmäßig in Cafés oder online zu gemeinsamen Schreibsessions verabreden. Dann setzt man sich ein Schreibziel und beflügelt einander mit der konzentrierten Schreib-Atmosphäre.
Du könntest auch die Plattform focusmate testen. Dort kannst du dich kostenlos mit einer anderen Person irgendwo auf der Welt online treffen. Eine Stunde lang arbeitet ihr dann konzentriert nebeneinander. Das klingt vielleicht seltsam, aber es funktioniert.
Hier noch meine Lieblingsbücher zum Thema:
Julia Cameron: Der Weg des Künstlers
Joan Bolker: Writing your dissertation in fifteen minutes a day
Otto Kruse: Keine Angst vor dem leeren Blatt