Vor ein paar Wochen habe ich einen dreistündigen Vortrag von Anne Lamott auf der Plattform BookPassage gehört. In der kurzweiligen Session haben wir mit der Autorin von Bird by Bird zwar nichts geschrieben, dafür aber viel über ihren Ansatz des kreativen Schreibens erfahren. Wer ihren Schreibklassiker kennt, hat dabei natürlich einige Grundprinzipien wiedererkannt.
Beginne bei deinen Kindheitserinnerungen
Viele, die schreiben möchten, fragen sich: Wo soll ich nur anfangen? Laut Anne Lamott eignet sich dazu besonders die eigene Kindheit: „Wenn du die überlebt hast, hast du genug Material, um zu schreiben.“ Wir könnten also einfach damit beginnen, unsere Kindheitserinnerungen festzuhalten. Eine nach der anderen. Egal, wie verschwommen sie im Moment noch sind. Gute erste Schreibimpulse sind: Ferien. Schule. Stofftiere. Unsere Lieblingslehrerin. Unser Haustier. Unser Lieblingsspielzeug. Dinge, vor denen wir uns gefürchtet haben.
Verfremde die Details
Was, wenn unsere Familie in unserem Memoir nicht gut wegkommt? „Niemand in deiner Familie wird sich darüber freuen, dass du schreibst“, sagt Anne Lamott. „Aber wenn sie das nicht gewollt haben, hätten sie dich besser behandeln sollen.“ Oft sei es allerdings so, dass sich die gemeinten Personen in der Geschichte gar nicht wiedererkennen würden.
Außerdem könne man Details verfremden, um Streitigkeiten zu entgehen. Manche Geschichten sollten wir erst veröffentlichen, wenn bestimmte Personen verstorben seien. Für uns selbst aufschreiben sollten wir sie aber vorher schon. Das sei auch ein erster Schritt, um unsere Wunden zu heilen.
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Hör einfach damit auf, nicht zu schreiben
Viele Leute sagen: „Meine Erinnerungen schreibe ich auf, wenn ich pensioniert bin!“ Vergiss es, meint Anne, das wirst du nicht tun. Stattdessen empfiehlt sie: Hör einfach jetzt schon damit auf, nicht zu schreiben. Stell dein Telefon aus. Schreibe, während deine Familie die Abendnachrichten schaut.
Warte nicht auf Inspiration, sondern plane dir im Kalender feste Zeiten ein. Wenn die Zeit gekommen ist, legst du los. Rechne damit, dass eine Stunde Schreibzeit netto höchstens 45 Minuten ergibt. Du kannst dir auch ein Ziel von 250 oder 500 Wörtern setzen. Wichtig ist, dass du dich selbst dazu verpflichtest.
Dein Text hat ein Eigenleben
Was macht Geschichten lesenswert? Beim Lesen erfahren wir gern etwas über andere Menschen, wir wollen ihnen zusehen und zuhören können. Und wir lieben Geschichten über Situationen, die wir alle kennen. „Lass deine Figuren sprechen. Was ist ihnen wahnsinnig wichtig? Was haben sie zu gewinnen oder zu verlieren? Die Handlung entwickelt sich daraus, wer diese Figuren sind – nicht umgekehrt“, sagt Anne Lamott.
Beim Schreiben sollten wir darauf vertrauen, dass unser Material längst weiß, wovon es handeln wird: „Der Text hat dich dazu ausgewählt, ihn niederzuschreiben. Er hat ein Eigenleben, also steh ihm nicht im Weg. Die Figuren wissen, was ihre Geschichte ist und werden sie dir zeigen, je mehr sie dir vertrauen. Du bist nur die Schreibkraft.“
Schreibe den ersten Entwurf schnell runter
Und wie lautet Annes Geheimrezept, um ein längeres Schreibprojekt fertigzustellen? „Schlecht zu schreiben und den Text später zu verbessern.“ Leider werde uns schon in der Schule eine falsche Form von Perfektionismus eingebläut. Wir trauten uns nicht, einfach erstmal einen schlechten Text zu verfassen. „Überarbeiten geht leichter als schreiben“, sagt Anne Lamott.
Meistens schreiben wir zu viel. Sie empfiehlt, dass wir uns den Text selbst laut vorlesen und uns dabei aufnehmen. Beim Hören merkten wir schnell, wo etwas nicht richtig klingt. Ein Lektorat sei am Ende unerlässlich, damit langweilige Passagen und überflüssige Adjektive rausfliegen. Ihr Rat lautet: „Schreibe den ersten Entwurf möglichst schnell runter. Dann hast du den schwierigsten Teil schon hinter dir.“
(Bildquelle: commons.wikimedia.org)