Im Dezember 2024 gab es bei mir zum dritten Mal den „Schreibfreuden-Adventskalender“: 24 Tage lang habe ich an alle, die sich angemeldet hatten, jeden Tag einen Bildimpuls verschickt. Faszinierend, was entstehen kann, wenn man sich von einem Bild inspirieren lässt und frei drauflos schreibt. Miniaturprosa, Erinnerungen, Gedichte … Texte, so vielfältig und individuell wie die Schreibenden. Sie bringen uns zum Schmunzeln oder stimmen uns nachdenklich. Aber lies doch einfach selbst!
Der Mitbewohner
Von Cordula
Der Covid erlaubte uns nicht zu feiern, wie sonst. Wir, das sind Chris, Tino, Lena und ich. Und nun ist da dieser Covid, der sich bei uns in der WG einquartiert hat, kontrolliert Ein- und Ausgang. Kurz einkaufen ist drin, zum Arzt gehen. Verdammt – das Mengenbad ist unsere Medizin, Musik ist Nahrung, Tanzen ist Atmen. Covid, mach dich locker, haben wir ihm oft gesagt. Er bleibt stur wie Großvater nach dem Krieg. Daher sitzen wir jetzt hier, die Beine aus dem Fenster baumelnd und werfen uns Flummis zu. Danke, dass ihr da seid, oh Mitbewohner, ihr seid meine Freiheit.
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Das Jahr wird alt
Von Isa Buktum
Das Jahr wird alt
es lässt die Blätter fallen
schmückt sich mit weißem Hauch
alle Fröhlichkeit ist dahin
Schönes ist Vergangenheit –
steht nur noch im vergessenen Heft
Das Jahr wird alt
und will sich doch so nicht trennen
nach jedem Ende folgt ein Neustart
es braucht nur etwas Mut:
Nimm den Besen, feg’ die alten Blätter fort,
mach Platz in deinem Herzen!
Das Jahr wird alt
und fragt nach erfüllten Träumen
Sonnenstrahlen blitzen durch die Wolkendecke
Erlebnisse zaubern ein Lächeln
Stillstand ist nicht deine Art –
Mach’ Pläne, schau nach vorn!
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Das Treffen
Von Angela Braster
Die U-Bahn hielt. Er würde sie treffen. Endlich ihre Augen sehen, wenn sie erzählt. Er sah immer die Seele der Frauen in ihren Augen. Sie verliebte sich sofort. Fühlte sich gesehen von ihm. Er war ein wenig Humphrey Bogart. Die Frauen traf er online. Starke, selbstbewusste Frauen. Aber allein und einsam. Auch sie, die nicht allein war, war einsam. Er gab ihr das Gefühl, dass sie einzigartig, wunderschön, begehrenswert war. Das machte ihn unwiderstehlich. Er liebte, wenn sie sich öffnete und hingab. Aber da wurde sie ihm langweilig. Und er suchte eine neue Frau. Eine, deren Seele er erkennen konnte.
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Adventskalender
Von Monika Kühn
In meiner Jugend gab es nur Adventskalender, bei denen man jeden Tag ein Türchen aufmachte und dahinter ein weihnachtliches Bild erschien.
Danach kamen Kalender auf, hinter denen sich Süßes verbarg. Da durfte man jeden Tag ein Stück Schokolade essen!
Später hatte die Kosmetikindustrie die Idee, zwischen Weihnachtsmännern und Rentieren Pröbchen mit Cremes oder Duft zu verstecken.
Und dann gab es kein Halten mehr. Jetzt gibt es Adventskalender mit 24 Socken, 24 Flaschen Bier aus aller Welt, Gewürzen, Erotik, Survival, Schmuck. Aber am schönsten sind doch Adventsrätsel fürs Klo: 24 Häufchen bis Heiligabend.
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Bild 21
Von Birgit
Sie wollten es miteinander versuchen.
Die Suche war lang gewesen. Zuerst nach einem anderen Menschen, dann nach einem guten Ort zum Leben.
Jetzt saßen sie da – zwischen Farbeimern, Kleister, Pinseln und Zeitungspapier.
Zwischen Hoffen und Bangen.
Zwischen Teamarbeit und jeder für sich.
Alles klebte.
Alles.
Hilfe!
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Die Nachputzerin
von Alma
Frauen sind immer für die Steckdosen zuständig. Du streichst oben großflächig, ich pinsele kleinteilig, du schaffst eine Wand in Nullkommanichts, ich hocke immer noch an der Fußleiste.
Ich sehe schon unsere Küche vor mir. Die hochmoderne Espressomaschine, die elektrische Nudelmaschine, deine grandiosen Messer, deine Gewürze in Reih und Glied, die besten Öle. Du wirst den Küchenzampano spielen. Ottolenghi hoch zehn, vier Gänge, Seeteufel und frische Steinpilze vom Frischeparadies. Ich darf hinterher die Töpfe auskratzen, den Herd wienern, die Gläser polieren. Ich bin die Vorstreicherin und die Nachputzerin, während du den perfekten Gastgeber spielst. Ich habe es satt.
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New York City-Subway
Von Lara G.
Es ist spät, die Mission ist erfüllt. Mike steigt aus der U-Bahn, den Blick gesenkt, den Trenchcoat übergezogen. Die Lichter blenden, der Boden glänzt.
In seinem Innern bringt er, wie immer, die Gefühle zum Schweigen, das hat er gelernt, das musste er sich aneignen
Sein Gesicht wie eine Maske, seine verschiedenen Identitäten und damit Sprachen mit korrektem Akzent – das muss sitzen.
Heute hat er als George O’Brian, mit irischem Akzent seinen Auftrag erfüllt. Er hat sich daran gewöhnt, Menschen zu eliminieren. Sie sind Gegner, Feinde, gefährlich für die Gesellschaft, operieren im Untergrund, verdeckt, genauso wie er. …
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Frei wie ein Vogel
Von Kornelia Brock
Ich sitze allein auf meiner Bank in meinem Park. Windstille. Kein Blatt bewegt sich. Kein Gedanke bewegt sich in meinem Kopf. Kein Finger bewegt den Stift. Stille. Hoch oben unter der hellblauen Himmelskuppel ziehen fusselige weiße Wattewölkchen. Frei wie ein Vogel möchte ich sein, dann flöge ich zu ihnen hinauf und trüge sie hierher auf meine Parkbank. Weiße fusselige Ideen. Ich würde sie auffädeln, bunt färben, zu fröhlichen Sätzen flechten und in mein Büchlein zauberhafte Texte schreiben. Fliegen, landen, lachen – einfach machen. Schreiben, so frei wie ein Vogel mit liebevollem Nest in meinem Park.
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Notizbuch
Von Petra
Dorothe ging auf das Haus zu. Es war zwei Stockwerke hoch, hatte weiße Fensterläden und eine umlaufende Veranda.
Als ob sich gerade ein Hausbewohner erhoben hatte, wippte ein Schaukelstuhl auf der Veranda im Wind.
Sie stieg die Treppe empor und erblickte neben dem Stuhl ein Notizbuch.
Es sah gut erhalten aus und es klemmten einige lose Zettel darin.
Neugierig blätterte sie es auf.
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Ein Schlüsselmoment
Von Astrid
Es heißt, in jedem Leben gibt es Momente, die wie ein Schlüssel in ein neues Bewusstsein wirken. Wir fangen an, Altvertrautes zu hinterfragen. Machen einen Schnitt, verändern uns. Und im besten Falle fühlt sich unser Erleben danach ein klein wenig freier, befreiter, vielleicht sogar freudvoller an.
Ich, zum Beispiel halte viel zu lange fest, selbst dann wenn mich schon nichts mehr trägt. Erst wenn es unerträglich wird, lasse ich los. Dann strample ich, schwimme, meine Hände fassen ins Leere. Ich stehe Kopf, drehe mich auf den Rücken, greife in die Luft und – werde getragen.
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Geschenke
Von Lisa
Diese blöde Schenkerei. Jedes Weihnachten dasselbe, nie ist es recht. Von wegen strahlende Augen. Ha, diesmal passt mein Geschenk in die Gesäßtasche. Aber erst mal sehen, was sie für mich hat. Seidenschal, Nachtsichtgerät, wieder das stinkende Deo oder irgendwelche Feinkost. Getrüffelte Gänseleberpastete war es letztes Jahr, dabei weiß sie doch, dass ich gegen Tierquälerei bin. Eine Flasche alter irischer Whisky käme gelegen. Aber das darf ich nicht wünschen, gleich nennt sie mich Alkoholiker. Diesmal wird sie Augen machen, denn in meiner hübsch verpackten Schachtel ist – nichts. Ich hoffe, wenn sie den Schock überwunden hat, kommen wir so ins Gespräch.
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Querfeldein
Von Evi
Auf dieser Straße sollte es weitergehen. So hatte das Navi es angezeigt. Aber was wusste das schon. Es hatte sie bereits über matschige Waldwege und geschotterte Pisten geleitet. Das konnte alles so nicht stimmen. Marion stellte sich den missgelaunten Kartografen vor, der das Gerät widerwillig programmiert hatte und die Technologie insgeheim hasste. Er wusste schon, dass sie ihn seinen Arbeitsplatz kosten würde. Jetzt standen sie also vor einem Tor, das mit einer dicken Kette verschlossen war. Vor ihrem inneren Auge wedelte der Kartograf hämisch mit einem Straßenatlas.
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FÜR 0 EURO ANMEldenNumerus clausus
Von NeeleAT
Meine Wertzuschreibung, innerhalb des Gesellschaftssystems, obliegt einer Nummer
aus unendlichen Kombinationsmöglichkeiten.
Eins ist das Herz, mit den Eindrücken aus Zwei Augen und Drei Gedanken:
Was tue ich?
Wie ist es richtig?
Wohin?
Vier Atemzüge und
Fünf Augenblicke später befinde ich mich in Sechsfacher Fallhöhe.
Im Bauche lodert ein Höllenfeuer.
Ich speise es mit Sieben defizitären Glaubenssätzen,
drehe sie Achtern in Spiralen der Unendlichkeit.
Neun Sterne beleuchten meine Nullwertige Existenz,
während Rechteckig eingerahmt die Reue, als letzte Taste in der Reihe der Wahloptionen, steht.
Trotz signalfarbenen Antlitzes wurde mein Sprachrohr nicht erhoben.
Mahnend ruht es, als stummer Ausruf von versäumter Kommunikation.
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Kontrast
Von Stefanie Neumann
Als er aus der U-Bahn ausstieg, traf ein Lichtstrahl auf seinen weinroten Hut, der einen starken Kontrast zu den blauen Waggons bildete.
Als er später an diesem Tag von einem Auto angefahren wurde und im Rettungswagen auf dem Weg ins Krankenhaus verstarb, war dies der einzige Eindruck, den er in seinem ganzen Leben hinterlassen hatte.
Traurigerweise hat es niemand je gesehen.
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Von KC Osvici
Alles Leben ist Magie.
Sie, nur sie hebt die Schleier um uns herum, die bleiernd am Boden kleben,
Damit wir uns erheben und sie sehen
Zu uns stehen, auf das Leben zugehen, lernen Ja zu sagen
Und es wagen, das Ja zu meinen, aus ganzem Herzen
Auszumerzen die Schmerzen, die Einsamkeit, den Hass
Das große Fass gefüllt mit den vielen Neins,
Meins, nur meins, nicht deins, kein unser
Deshalb ist es ein Wunder und wir sollen uns erheben
Beide verweben,
Das ist die Magie und das Leben
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Bruchstücke
Von Matilda
Behutsam gehalten,
Bruchstücke eines Lebens
Wut und Tränen und Traurigkeit,
immer gut verborgen geblieben
an den Bruchkanten die Reste einer Liebe
behutsam bewahrt, trotz aller Brüche
***
Von Marie-Luise Schulze Frenking
da hilft
kein Sprichwort
nach dem Streit
Scherben aufsammeln
allein
***
Von Sabine Schildgen
Eine letzte Spur
schlängelt sich durch Staub
und verblühten Sonnenhut
Ein leises Echo
von vergangenen Sommern
Vorbei
Auf meiner Haut
wie Schatten
ein Hauch von Melancholie
Meine Lippen
sind müde
Mein Herz
noch schwer
Die letzten Gefühle
in der Luft verweht
als hätte der Wind
sie aus unserem Leben gestohlen
Nicht aufgeben
flüstert es irgendwo
in mir
Ich streiche das
Vergangene
Nicht ohne zögern
aber endgültig
und umarme
den Moment
***
Rudolf Wacker
Von Lucy Me
In einer Abfallkiste liegt eine Puppe weiß gekleidet mit schwarzen Knöpfen, rotem Mund, tiefliegenden Augen und hohen feingezeichneten Augenbrauen. Der Maler Rudolf Wacker (1893-1939) kommt vorbei und nimmt sie mit. Sie ist für ihn Modell und Vorlage für zahlreiche Bilder. Bilder mit Pflanzen, Vögeln und dieser immer selben Puppe, die der Künstler im Stile der Neuen Sachlichkeit mit Ölfarben malt. Ein schwarzer, ein gelber Holzvogel, eine Meermuschel und anderes gesammeltes Zeug zählt zu den Wegwerfdingen, die den Maler inspirieren. Er arrangiert bunte Kollagen und entwirft zeichnerische Skizzen, um sie dann als Komposition mit künstlerischer Farbgebung auf die Leinwand zu bringen.
***
Elemente
Von Elke Erben
Wasser
plötzlich die Sehnsucht
nach Ruhe.
Wenn der Mensch ins
Meer springt —
welche Empfindungen
sind zu spüren?
Luft
plötzlich das Gefühl
ganz da zu sein.
Wenn das Atmen
leichter fällt —
welche Erinnerungen
möchte ich behalten?
Erde
plötzlich mit beiden
Beinen im Leben stehen.
Wenn Bewegung
ganz viel Spaß macht –
welche Möglichkeiten
werden sichtbar?
***
Von Tara Tannengrün
Der Plätzchenteig war einen halben Zentimeter dick ausgerollt. Wenn sich Eier, Zucker, Butter, Mehl und eine Prise Salz in warmen Menschenhänden zu einem geschmeidigen Teig vereinigten, stieg die Spannung ins Unermessliche. Welche Form würde er annehmen? Die eines Sterns, der später am Weihnachtsbaum hing, die eines grünbemalten Tannenbaums, der Hoffnung symbolisierte oder gar die eines „Keksmännchens“ mit einem Gesicht aus Zuckerguss, Stiefelchen aus Liebesperlen und zwei schwarzen Knöpfchen auf dem Bauch, die andeuten sollten, dass er eine Jacke trug? Bald würde er seine Bestimmung kennen, denn schon sauste – begleitet von fröhlichem Kinderlachen – das erste Ausstechförmchen auf ihn nieder.
***
Schwerelos
Von mathilda matthes
Ronaldo sprang.
Schon immer hatte er der beste Klippenspringer von Santa Maria werden wollen. Klippenspringen war wie Fliegen.
Vor allem weit musste der Sprung sein. Schwerelos. Und dann hatten sie ihn in diese Boarding School verfrachtet. Kontinente von seiner Klippe, vom Azur entfernt.
Kalt war es hier. Mit Bergen.
Lange Zeit hatte er an Schwimmen nicht denken mögen.
Dann, während langer trauriger Stunden des Umherirrens, hatte er den Bergsee entdeckt. Glitzern, manchmal Azur, eine halbe Fahrradstunde entfernt.
Über einen Steg konnte er Anlauf nehmen und für einen kleinen, feinen, köstlichen Moment — flog er.
Wie in Santa Maria.
Heim.
***
Nachtbaden
Von Claudia Schmidt-Haesler
Sich mit voller Wucht
Hineinwerfen
In die Halbdunkelheit
Dem Reiz des grün schimmernden Smaragds
Wasser
Entgegenspringen ohne Scheu.
Ohne Angst vor dem
Was in der Tiefe wartet
Sich vielleicht schon schattenhaft andeuten würde
Wenn man genauer hinsähe
Felssteinhart
In der weichen Kühle des klaren Nass
Die Wahl zu zögern immer da
Doch was passiert
Wenn man überall Felsen sieht?
Man wird nie springen
***
Unter den Wolkenkratzern meiner Erwartung
Von Katja Giszas
So gern wollte ich die Adventszeit in diesem Jahr behutsam angehen: Hinwarten auf Weihnachten.
Doch dann waren sie wieder da, die Verpflichtungen, die hektische Betriebsamkeit. Klein gehalten mein Wunsch nach besinnlicher Zeit, letztlich doch von mir selbst klein gehalten unter den Wolkenkratzern, die sich über mir aufzubauen schienen.
Plötzlich aber den Blick von den erdrückenden Erwartungsgebäuden gerichtet – hin zum Himmel. Ein himmlischer Lichtblick!
Langsam bin ich bereit, es wird Weihnachten in meinem Herzen. Schon sehe ich den Stern. Und höre die Stimme des Engels: „Euch ist heute der Heiland geboren“!
Freudig blicke ich gen Himmel…
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FÜR 0 EURO ANMEldenGedankenschloss III
Von Danni M.
Verzierte Türen öffnen sich lautlos in einen Ballsaal. In dieser Redoute haben sie die Quadrille getanzt. Der stumpfe Glanz der Wände atmet versunken im Takt. Meine Gummisohlen quietschen auf dem betretenen Parkett. Verwundert vergeht das Über oder unter dem Holz. Große Fenster blicken fragend nach innen. Was findet sich im Unbemöbelten? — Ein Zug fährt vorbei. Das Zittern der Zeit verebbt. Flüchtige Fußspuren folgen der Leere, die ihre Maske abgesetzt hat. Ich bleibe stehen. Höre die in Seide gehüllte Stille. Lausche dem Trommeln auf dem Blechdach, als ein Licht fällt.
***
Von Sonja
Es war schon wieder geschehen. Da lag sie, blutend und ohnmächtig. Notarzt und Polizei waren bereits verständigt.
Was war hier passiert?
Diego hörte die Worte der Wahrsagerin, auf die er nichts gab: „Seien Sie auf der Hut! Leib und Leben stehen auf dem Spiel!“
Seine Schwester Susanne, die es erlebt haben musste, lag zu seinen Füßen.
Die Hexe hatte recht, irgendwie. Lady Estrella. Er mochte sie nicht. Sie hatte vor einiger Zeit den Tod vorher gesehen.
Hokuspokus und nichts anderes!
Der Notarzt mit besorgter Miene sagte, dass er nichts mehr für Susanne machen könne.
In einer Blutlache grinste Lady Estrella.
***
Dankbarkeit
Von Michaela Fricek
„Heit moch i eanan an ondan Vortrag“, hörte Magnolia einen Mann mit Zopf und weichen Gesichtszügen. Eine Duftkerze brannte. Zwei Patienten saßen am Fensterbrett und plauderten. Mit etwas kraftloser Stimme sprach der Mann bedächtig: „Heit moch i wos Spezialles. I spü Lida fürs Herz. I woa vor a poar Joarn in ana ähnlichen Situation wie se und auf ana Kua. I sing in meina Sproch Oberösterreichisch, ned indische Mantren.“ „Okay, ist jetzt nicht meine“, raunte es in Magnolias Hirn. „Ich habe nix gegen Oberösterreichisch, aber vieles gegen diesen Softie-Pseudo-Prediger. Dennoch bin ich dankbar, dass ich jetzt Zeit für mich habe.“
***
Resilienz-Wadl
Von klaustiksketchi
Steig o von deim Radl
und schnür auf die Bandl,
nimm dir Zeit und sandl.
Nimm ein Schluck aus’m Müchkandl (Milchkandl),
leg di in dWiesn, Mandl,
vergiss für a Randl
den Hitzewandel
und Klimahandel.
Nimm a Weihnochtskeks mit Mandel,
und gönn dir dein eig’nen Handel
mit dir und dei’m Stresswandel.
***
Lackschuhe
Von Silke Hansen
Ina hockte auf dem Fußboden und putzte ihren Gummistiefel, in den passte am meisten. Ihre Schwester Bea hatte die Nase gerümpft und gemeint, in diesen Käsefußstiefel willst du deine Schokolade? Igitt. Es stimmte, der Stiefel müffelte ziemlich, aber sie konnte sich nicht vorstellen, dass der Nikolaus etwas uneingepackt reinlegen würde, das wäre unhygienisch. Sicherlich gab es Absprachen zwischen Mama und dem Nikolaus. Nicht allzu viel Schokolade wegen Zucker, auch irgendwas Vollkörniges, Weingummis nur ohne Tier, sowas in der Art. Bea hörte sich die Überlegungen an und entschied, klingt logisch, ich nehme auch meinen Gummistiefel. Kichernd traten sie vor die Haustür.
***
Als alles anders wurde
Von Dorit
Warum besucht der Präsident ausgerechnet ihre unwichtige Kleinstadt? Alles ist seit Wochen in Aufruhr. Schade, dass die Plätze am Bürgersteig den Oberen vorbehalten sind. Sonja muss, wie so viele am offenen Fenster sitzen. Gegenüber die Jungs aus der Werkstatt.
Immerhin hat es der Mogul erlaubt, dass sie an den Fenstern sitzen. Wobei es kommt, sicher noch eine Strafe. Unsere Sicht ist besser, wie die der Oberen unten an der Straße. An eine solche Vorgehensweise des Moguls hat man sich leider gewöhnt und es würde einen eher wundern. Welche es wohl diesmal sein wird?
***
Tage an der Ostsee
Von Stephanie Engel
Die gelbe Schaufel im Sand
verloren in der Weite des Meeres
und doch geborgen
wie mein Zuhause
in mir
drin ganz verborgen
habe ich das Geheimnis
vergraben ganz tief
ohne es zu wollen
ist das alles passiert
ich konnte nur
das Schlimmste verhindern
fast mein Leben verlieren
danke der Schaufel
das sie mich gerettet hat
ohne das Vergraben
wäre ich erstickt
verendet
jämmerlich gestorben
an den Qualen
den Schmerzen
in meiner Seele
in meinem Körper
in meinem Sein
danke dem Gelb
das es mich erinnert
an das Licht
in mir
***
54323 wie Liebe
Von Moana
Manchmal
vermisse ich die Tage
welche zwischen
Traum und Wirklichkeit
Augenblicke
zurückholen
Wie das Schmetterlingsflirren oder
ein süsses Pochen zwischen der 12. Rippe
Augenblicke die
Sommer
in Paris in uns entstehen lassen
und von vergangenen Küssen im Regen schwelgen
Wir erinnern uns
wie zielgerichtet und dennoch nervös
sanfte Fingerspitzen
auf dem schiefernen Tasten tanzen
die Schnur beim Flirten
zu Herzen gestrickt werden
Manchmal ist Liebe
so
einfach
auch hinter Blechkästen …
***
Geborgenheit
Von Carmen Jankowski
Über die Hände rieselt die Sanddusche
glitzernd
Wärme
sich selbst in alle Einzelteile
von a nach b nach c
und zurück schaufeln
sich vergraben
und wieder bergen
lassen
***
Vargan
Von redux2
Vargan stand hoch auf dem Fels, den Kopf erhoben. Sein angespannter, muskulöser Körper schimmerte im Mondschein. Nur das tosende Wasser des Naharr durchbrach die nächtliche Stille. Der eisige Wind wehte von Norden und Vargans empfindliche Nase witterte den Feind. Dieser Geruch — unnatürlich, metallisch. Sein Fell sträubte sich, und ein tiefes Knurren drang aus seiner Kehle. Vargan schaute langsam herab. Die Wölfe unten am Ufer beruhigten sich. Er blickte ihnen in die Augen — einem nach dem anderen. Sofort senkten sich die Blicke. Nur Zaev, sein alter Rivale, zögerte einen Moment, grummelte kaum hörbar in die Nacht, doch dann neigte auch er seinen Kopf.
***
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