„Kill your darlings?“ Drei Tipps für deinen Rohtext

Du hast munter drauflos geschrieben und einen ersten Entwurf verfasst. Und nun fragst du dich: Wie schaffe ich es, dass meine Geschichte richtig „rund“ wird? Und wann kommt dabei eigentlich das Motto „Kill your darlings“ ins Spiel? In diesem Beitrag gebe ich dir drei Tipps, die sich besonders für kreative und literarische Textentwürfe eignen. Weitere hilfreiche Anregungen zur Überarbeitung findest du in der Blogparade „Kill your darlings – Deine drei besten Tipps zum Überarbeiten von Texten“ von Daniela Pokorny – linguistsway.

I. Find your darlings!

Kennst du das? Du überfliegst deine Rohfassung und denkst: „Das ist ja alles Mist!“ Von irgendwelchen „darlings“ ist keine Rede, denn das berühmte Konzept vom shitty first draft hat dich im Griff. In Schreibratgebern hast du gelesen: „Der erste Entwurf darf, ja, er muss sogar zwangsläufig schlecht sein!“ Dieser Gedanke soll dich befreien – doch er prägt auch dein Mindset. Wenn du Pech hast, nimmst du vor lauter Selbstkritik den Zauber deines ersten Entwurfs nicht wahr. Du erkennst nicht, was dir intuitiv gut gelungen ist.

Vielleicht beginnst du sofort damit, deinen Entwurf zu bearbeiten, denn schließlich ist überall von „Kill your darlings“ die Rede. Doch in dieser Phase weißt du oft noch gar nicht, was genau diese „darlings“ sind, die du „töten“ sollst! Im kreativen Prozess hat dieses Motto also (noch) gar keinen Platz.

Mach es doch mal andersrum: Nimm einen farbigen Stift und markiere im ersten Durchgang ausschließlich das, was dir an deinem Entwurf gefällt. Überzeugt dich deine Geschichtenidee? Welche Figuren magst du besonders? Welche Formulierungen sprechen dich an? An welchen Stellen hast du geschmunzelt? Du musst nicht „literaturwissenschaftlich“ an die Sache herangehen. Vertrau auf dein Bauchgefühl.

Vielleicht sprechen dich stilistische Elemente an, vielleicht ist es eher der Inhalt. Suche in diesem Stadium noch nicht nach holprigen Stellen. Richte deinen Blick nach dem Motto „Find your darlings“ bewusst nur auf das, was dir gefällt – denn darauf kannst du beim Weiterschreiben aufbauen. Der Fokus auf deine Stärken motiviert dich und hilft dir dabei, deine persönliche Schreibstimme zu entfalten.

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II. Noch mehr „darlings“?

Falls du deine erste Fassung mit der Hand geschrieben hast, tippe sie im nächsten Schritt ab. Dabei entsteht meistens ein neuer Text, denn du glättest viele Formulierungen automatisch. Gönn dir dann (mindestens) eine weitere kreative Schreibphase, bei der du im Hinterkopf behältst, was dir an deiner Rohfassung gefallen hat.

Probiere beim Schreiben weitere Varianten aus: Wie fühlt es sich an, wenn du die Erzählperspektive oder die Erzählzeit änderst? Was passiert, wenn du das Alter oder Geschlecht der Figuren änderst? Wie entwickelt sich die Geschichte, wenn du sie an einen anderen Schauplatz oder in eine andere Zeit verlegst? Du kannst Kleinigkeiten verändern oder eine komplett neue Fassung schreiben. So arbeitest du allmählich den Kern deiner Geschichte heraus.

Lies dir anschließend die verschiedenen Varianten durch und überlege: Welche Fassung fängt das ein, was du wirklich erzählen möchtest? (Tipp: Hebe dir alle Varianten auf, damit du Stellen, die du versehentlich „rausgeworfen“ hast, nicht verlierst.)

III. Kill your darlings

Deine Schaffensphase ist jetzt vorbei. Lass deine Lieblingsvariante ein paar Tage ruhen, bevor du sie mit frischem Blick betrachtest. Der Zeitpunkt für den Feinschliff ist gekommen – und nun wird das Motto „Kill your darlings“ interessant!

Lies dir deine Geschichte sorgfältig durch und markiere deine absoluten Lieblingsstellen. Das sind deine Top-Favoriten, an denen du innerlich hängst und bei denen du überzeugt bist: „Das habe ich echt toll geschrieben!“ Frage dich bei jeder dieser Stellen: Finde ich sie einfach „nur“ schön oder trägt sie tatsächlich etwas zur Geschichte bei? Verrät sie etwas über die Figur oder den Schauplatz? Macht sie die Handlung spannender, den Dialog lebendiger? Fängt sie Stimmungen ein, weckt sie beim Lesen Emotionen?

Wenn du diese Fragen verneinst, dann überlege, ob du die Stelle so verändern kannst, dass sie passt. Wenn nicht, dann verabschiede dich von ihr. Es kann sogar sein, dass du dich dabei von einer liebgewonnenen Figur wieder trennen musst.

Die gute Nachricht ist: Du musst diese „darlings“ gar nicht wirklich töten! Hebe sie auf (und lege sie so ab, dass du sie wiederfindest). Vielleicht steckt darin die Idee für deine nächste Story. Oder du kannst eine originelle Wortschöpfung in einem Haiku „recyclen“.

Zum Schluss kannst du den Text sprachlich und stilistisch optimieren. Die „Klassiker“ sind dabei Schachtelsätze, Füllwörter und Passivkonstruktionen … und natürlich Tippfehler … Falls du wenig Schreiberfahrung hast, schau dir dazu Ratgeber wie Erfolgreich texten von Doris Märtin an oder stöbere in den anderen hilfreichen Beiträgen zu dieser Blogparade.

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