Memoir-Leitfaden von Doris Dörrie

Leben Schreiben Atmen. Dieser Titel verleiht dem Schreiben fast eine (über)lebenswichtige Funktion. Das Buch der Drehbuchautorin Doris Dörrie ist allerdings kein klassischer „Schreibratgeber“, sondern eine Sammlung von Impulsen zum autobiographischen Schreiben. Das Originelle daran ist, dass sie auch selbst zu diesen Impulsen geschrieben hat, und uns so an ihren Erinnerungen teilhaben lässt. Hier stelle ich dir vier zentrale Gedanken daraus vor.

Wer Veteraninnen des kreativen Schreibens wie Natalie Goldberg oder Anne Lamott kennt, sieht in diesem Buch deutliche Parallelen. Auch Dörrie plädiert beispielsweise dafür, mit der Hand einfach drauflos zu schreiben, zehn Minuten lang, ohne sich zu zensieren oder über Rechtschreibregeln nachzudenken.

Dabei greift sie gern auf Goldbergs „Lieblings-Schreibimpuls“ zurück: „Ich erinnere mich an …“ funktioniere immer. Doris Dörrie schreibt gleich morgens nach dem Aufwachen im Bett, denn: „Wenn ich mein ordentliches Gesicht trage, kann ich nicht mehr schreiben.“ Julia Camerons Morgenseiten lassen grüßen.

1. Trainiere deinen Schreibmuskel

Das Ziel dieser klassischen Schreibübung ist nicht, das eigene Schreiben zu verbessern, sondern überhaupt mal damit zu beginnen. Denn (auch das kennen wir aus dem creative writing) unser Schreibmuskel ist quasi ein Muskel, der verkümmert, wenn man ihn nicht trainiert: „Es fällt einem dann wieder ungeheuer schwer zu schreiben. Aber jeden Tag nur ein bisschen Bewegung, ein wenig Stretching, das reicht. Zehn Minuten, nicht mehr. Zehn Minuten sind immer zu schaffen.“

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2. Lass dich zum Schreiben inspirieren

Letztlich könne uns alles zum Schreiben inspirieren: Hausmittel, Kinderbücher, Kleidungsstücke, Telefonate, Dunkelheit, Fremdsein, Verlust. „Zu schreiben bedeutet, nicht vor der Wahrheit zu fliehen, sondern in sie zurückzufinden.“

Doris Dörrie lädt uns ein, in Gedanken durch die Wohnung unserer Kindheit zu gehen. Dabei sollen wir auf unsere Kinderfüße schauen, als würden wir durch eine Kamera blicken. Sind unsere Füße nackt? Tragen wir Schuhe? Und schon tauchen erste Erinnerungen auf, die wir zu Papier bringen können …

Solche Schreibübungen verbindet Doris Dörrie in ihrem Buch mit Ausschnitten aus ihrem eigenen Leben. Wir erfahren, wie sie als Kind Kastanien gesammelt, Karokaffee getrunken oder einen Vorlesewettbewerb gewonnen hat. Wir lesen von der „anderen Doris“ aus ihrer Schulklasse, die dichte weizenblonde Haare und unfassbar saubere Fingernägel hatte: „Alles an ihr war so sauber, dass ich mich immer dreckig fühlte neben ihr.“

Einige dieser Anekdoten sind amüsant, andere bedrückend. In den USA findet sie in der depressiven, später krebskranken Sängerin N. die „treueste Freundin, die man sich vorstellen kann“. Dörrie schreibt über Tragödien, die ihr den Boden unter den Füßen wegrissen und ist überzeugt: Indem wir immer wieder über dasselbe schreiben, erobern wir uns diesen Boden langsam zurück.

3. Wechsele die Perspektive

Konkrete Schreibtipps gibt uns Doris Dörrie kaum, doch sie erteilt uns einen wertvollen Rat: „Schreibe in der dritten Person, wenn es zu kompliziert oder zu traurig wird.“ Wie dieser Perspektivwechsel funktionieren kann, zeigt sie uns mit einem ihrer Texte über eine tragische Liebesbeziehung. Wenn wir über schwere Themen schreiben, könne es auch helfen, zwischendurch eine Pause zu machen und „über etwas Hübsches oder Schokolade“ zu schreiben.

4. Öffne die Tür zu deiner Vergangenheit

Die Philosophie von Leben Schreiben Atmen ist altbekannt: Wer sich bereits mit dem kreativen Schreiben beschäftigt hat, wird in diesem Buch nicht viel Neues darüber erfahren. Aber dafür kann es uns als Leitfaden für ein ganzes Memoir dienen!

Wenn wir uns jeden Tag einen der Schreibimpulse vornehmen, stoßen wir die Tür zu unserer Vergangenheit immer weiter auf. Wer Autobiographien mag, hat dazu noch ein großes Lesevernügen, und auch von Dörries sinnlichem Schreibstil können wir uns einiges abschauen.

Doris Dörrie: Leben Schreiben Atmen
Diogenes Verlag, 2019
288 Seiten, EUR 18,00 (D)
ISBN 978-3-257-07069-9

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