Eva Ginnell (Kalifornien) und Sandra Engelbrecht (Schweiz) haben im Januar 2023 ein gemeinsames Buch auf der Plattform story.one veröffentlicht. Zwischen den beiden Autorinnen liegen 9000 Kilometer und sie sind einander bisher nur online begegnet. Wie hat das Schreiben zwischen zwei Kontinenten funktioniert? Und worum geht es in ihren Café-Geschichten? Das verraten sie mir im Interview.
Eva und Sandra, ihr seid euch in einem meiner Schreibsalons zum ersten Mal begegnet! Wie habt ihr einander dann näher kennengelernt?
Sandra: Eva, ich habe dich beim Gateless Writing wahrgenommen mit deiner Geschichte über einen Typen in einem Münchner Gasthaus. Die war so toll geschrieben, ich habe sein Bild immer noch vor Augen! Dann haben wir uns in einem anderen Onlinekurs wiedergesehen, und da hast du mich im Chat gefragt, ob wir Nummern austauschen wollen …
Eva: Meine Version ist so ähnlich. Ich erinnere mich an Sandras Geschichte vom Gateless Writing mit der Reling und dem Schiff. Dann habe ich im Blog gelesen, dass sie damit einen Preis gewonnen hat. Ich bin ja hier im englischsprachigen Umfeld angewiesen auf Online-Formate, und auch da merkt man schnell, ob einem jemand sympathisch ist.
Wie seid ihr dann auf die Idee zu eurem Buchprojekt gekommen?
Sandra: Ich habe die Ausschreibung zum story.one Book Award gesehen und dachte: Bis zur Deadline ein ganzes Buch zu schreiben, das schaffe ich nicht allein. Aber Eva kann so gut schreiben, ich frage sie einfach mal. Und sie hat sofort zugesagt.
Eva: Ich hatte von dem Wettbewerb auch schon gelesen, mich aber allein nicht an so ein großes Projekt herangetraut. Als Sandra fragte, dachte ich: „Au ja. Zusammen – das geht!“
Das heißt, hinter der sportlichen Deadline für euer Buchprojekt steckte der Abgabetermin für den Wettbewerb?
Sandra: Genau. Im Oktober haben wir Kontakt aufgenommen und dann im November, Dezember und Januar geschrieben.
Worum geht es in eurem Buch Café-Geschichten, und wie seid ihr auf das Thema gekommen?
Sandra: Ich habe die Idee von Café-Geschichten schon lange mit mir herumgetragen und sie Eva vorgeschlagen. Von ihr kam dann der rote Faden mit den zwei Baristas, Roberta und Danny, die in Cafés in Basel und Kalifornien arbeiten.
Eva: Die Café-Geschichten spannen sich über zwölf Monate, wir haben uns mit dem Schreiben der Episoden abgewechselt. Sandras Figur Roberta arbeitet im Café Franz in Basel und meine Figur Danny im The Purple Frog in Davis, Kalifornien. Wir wollten auch kulturelle Eigenheiten wie Fasnacht oder Thanksgiving mit einstreuen.
Wie seid ihr beim gemeinsamen Schreiben vorgegangen?
Sandra: Eva hat mit der ersten Geschichte begonnen, dann haben wir die Perspektive gewechselt. Es sind zwei Cafés, aber immer verschiedene Menschen, mal Gäste, mal eine der Baristas.
Wir haben auch immer ein Symbol oder einen Satz aus einer anderen Geschichte in unsere eigene hineingeflochten. In Evas erster Geschichte trug eine Frau eine Kette mit einem Herz-Anhänger, den habe ich dann aufgegriffen.
Eva: Innerhalb der Geschichten tauchen einzelne Figuren dann hier und da wieder auf und gegen Ende verschränkt es sich interkontinental. Die Geschichten stehen einzeln für sich, beziehen sich aber auch aufeinander. Wie eine Suppe, in der man rührt, und in der sich alles vermischt.
Sandra: Wir wollten auch zeigen: Obwohl es zwei Kontinente sind, sind die Menschen doch immer gleich. Es sind immer Fragmente aus anderer Perspektive, in nur 2500 Zeichen. Das ist die Längenvorgabe von story.one.
Ihr habt also abwechselnd eure Geschichten geschrieben und sie einander dann zugeschickt?
Sandra: Genau. Wir hatten uns dafür am Anfang eine Woche gegeben …
Eva: … und am Ende waren es dann nur noch vier Tage. Es war ja auch noch Weihnachten dazwischen.
Drei eingestreute Geschichten sind so entstanden, dass wir live hin- und hergeschrieben haben: Ich hatte die Idee, dass unsere beiden Hauptfiguren bei einem Barista-Austauschprogramm mitmachen und sich per Textnachricht unterhalten. Für diese gemeinsamen Texte bin ich in das Café gegangen, das mich inspiriert hat, und habe ein Google Doc aufgemacht. Dann haben wir einander geschrieben, als wären wir die beiden Figuren.
Sandra: Dabei musste ich immer sehr lachen! Es war wie beim Gateless Writing, die Figur hat aus mir gesprochen.
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Habt ihr das Schreiben als stressig empfunden?
Eva: Ich schreibe gern mit ein bisschen Druck. Das ist so wie bei dir beim Gateless Writing: Man hat nicht viel Zeit und kann nicht groß überlegen. Am Schluss habe ich drei volle Tage lang überarbeitet. Das war dann vielleicht ein bisschen stressig.
Sandra: Ja, es war tatsächlich wie beim Gateless Writing, dass man eine Geschichte erstmal schnell runterschreibt. Zuerst hatte ich Mühe, weil ich meine Rohtexte an Eva schicken musste. Auch das war wie beim Gateless Writing: Der Text muss jetzt raus, auch wenn er noch nicht überarbeitet ist. Wir mussten ja unseren straffen Zeitplan einhalten. Das hat so Spaß gemacht!
Am Anfang fand ich es gut, dass wir den Zeitunterschied hatten. Eva hat in meiner Nacht gearbeitet und umgekehrt. Am Schluss, wo wir dann eng miteinander arbeiten mussten, war das Zeitfenster etwas begrenzt, in dem wir uns auf zoom sehen konnten.
Habt ihr ein gemeinsames Autorinnen-Profil auf der Plattform story.one?
Sandra: Ich habe ein Profil für uns beide angelegt, und wir haben uns auf zoom getroffen, um das Buch zu machen. Das war ein schöner Moment und es ging total einfach. Das Titelbild hat mein Mann gemacht, der eine gute Kamera hat. Und dann haben wir unser Buch für den Wettbewerb eingereicht.
Habt ihr schon Ideen für weitere gemeinsame Projekte?
Eva: Ein zweites Buch! Vielleicht treffen sich die beiden Baristas an einem dritten Ort …?
Worauf sollte man bei einem gemeinsamen Schreibprojekt unbedingt achten?
Sandra: Ich finde, die Chemie muss stimmen, und es muss auch Humor dabei sein. Mit Eva war es immer so angenehm …
Eva: … so ein Geben und Nehmen. Ich schätze es auch, wenn jemand zuverlässig ist. Wenn du gesagt hast, du hast die Geschichte fertig, dann war sie auch fertig.
Sandra: Auf Eva ist Verlass – das fand ich auch super! Es muss sich ergänzen, damit kein Ungleichgewicht entsteht. Man braucht einen guten, sauberen Zeitplan. Da hat uns die Deadline des Wettbewerbs geholfen. Und es muss auch vom Schreibstil her passen.
Eva: Ja, man muss den Stil der anderen mögen. Ich habe mich immer auf die nächste Geschichte gefreut: „Was hat sie sich jetzt wohl ausgedacht?“ Natürlich wollte jetzt auch nicht die eine Science Fiction schreiben und die andere ein Kinderbuch.
Was ist euer liebster Schreibtipp?
Sandra: Einfach den Mut haben, etwas auszuprobieren. Dass ich Eva gefragt habe, ob sie mitmacht – ich dachte, mehr als eine Absage kann ich ja nicht bekommen. Die Offenheit, sich auf so ein Projekt einzulassen. Einmal hatte ich eine echte Blockade, aber ich wusste, Eva wartet auf meinen Text, also habe ich gemerkt: Man muss da einfach durch und schreiben!
Eva: Ja, sich einfach hinsetzen und schreiben. Auch wenn man dann die ersten zwei Seiten wieder streicht. Aber wenn ich nichts schreibe, habe ich auch nichts auf dem Papier. Man kann sich noch so viele Gedanken machen, planen und entwickeln … dann muss man aber anfangen. Irgendwas kommt dann schon.
Eva Ginnell und Sandra Engelbrecht
Café-Geschichten
Verlag story.one publishing, 2023
ISBN 978-3-7108-2362-6
EUR 16,50
Im Buchhandel erhältlich
Vernetze dich mit Eva und Sandra auf Instagram unter @eva.ginnell und @sandraengelbrecht.li oder besuche Sandras Website. Das gemeinsame Autorinnen-Profil findest du auf story.one.